Für das Erstarren müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Schmelze muss unterkühlt sein und es müssen Keime in der Schmelze vorhanden sein.

Einleitung

Ausgangspunkt der Gefügebildung ist in der Regel der flüssige Zustand. Ausgehend hiervon wird das Metall abgegossen und erstarrt anschließend. Während diesem Vorgang bildet sich schließlich das Gefüge. Die dabei ablaufenden Prozesse werden im Folgenden näher betrachtet.

Im flüssigen Zustand sind die Metallatome zunächst völlig regellos verteilt. Aufgrund der hohen Temperatur haben die Teilchen eine relativ hohe Bewegungsenergie. Die Anziehungskraft zwischen den Atomen reicht in diesem Zustand nicht aus, um diese permanent aneinander zu binden. Durch die heftigen Stoßprozesse mit anderen Atomen werden eventuell kurzeitig bestehende Bindungen sofort wieder aufgebrochen.

Bedingungen für eine Erstarrung
Abbildung: Bedingungen für eine Erstarrung

Unterkühlung

Wird die Schmelze nun allmählich abgekühlt, so verringert sich mit dem Absinken der Temperatur auch die Bewegungsenergie der Teilchen. Unterschreitet die Temperatur dabei einen kritischen Wert, so gewinnt die gegenseitige Anziehungskraft zwischen den Teilchen die Oberhand. Bindungen zwischen den Atomen können nun dauerhaft wirksam werden. Die Erstarrungstemperatur ist damit unterschritten und das Gefüge bildet sich.

Aufgrund der wirksam werdenden Anziehungskräfte führen dazu, dass sich mehr und mehr Teilchen aus der Schmelze an die bereits erstarrte Gitterstruktur anlagern. Dieser Vorgang vollzieht sich solange bis sich schließlich alle Teilchen an das Metallgitter angelagert haben. Da sich bei diesem Erstarrungsvorgang die Kristallstruktur des Metalls bildet, bezeichnet man dies auch als Kristallisationsvorgang.

Der Erstarrungsprozess eines kristallinen Gefüges wird auch als Kristallisation bezeichnet!

Die Temperatur der Schmelze muss also unterhalb der Erstarrungstemperatur des Werkstoffes liegen, damit feste Bindungen dauerhaft Bestand haben. Die Differenz zwischen lokaler Temperatur der Schmelze und der Erstarrungstemperatur wird auch als Unterkühlung bezeichnet. Eine Unterkühlung ist zwingend notwendig um den Erstarrungsprozess auszulösen, ein bloßes Erreichen der Erstarrungstemperatur reicht nicht aus.

Um ein Erstarrungsprozess auszulösen, muss die Schmelze unterkühlt werden!

Eine Unterkühlung ist zwar eine notwendige Bedingung für den Erstarrungsvorgang, sie alleine reicht jedoch noch nicht aus, um eine Schmelze zum Erstarren zu bewegen! Im nachfolgenden Abschnitt wird auf die zweite notwendige Voraussetzung näher eingegangen.

Keime

Die im vorangegenangenen Kapitel erläuterte Unterkühlung ist zwar eine notwendige Bedingung für den Erstarrungsvorgang, sie alleine reicht jedoch noch nicht aus, um eine Schmelze zum Erstarren zu bewegen! Dies mag zunächst etwas sonderbar klingen; an einem einfachen Alltagsbeispiel soll dies im Folgenden anschaulich verdeutlicht werden.

Anhand eines Handwärmers wird sehr schnell deutlich, dass eine bloße Unterkühlung einer Schmelze (Flüssigkeit) alleine nicht ausreicht um einen Erstarrungsprozess auszulösen! Bei der verwendeten Flüssigkeit in Handwärmern handelt es sich häufig um Natriumacetat-Trihydrat, dessen Erstarrungstemperatur bei rund 58 °C liegt.

Jedoch selbst bei Temperaturen von bis zu -20 °C hält sich dieser flüssige Zustand des Natriumacetat-Trihydrats. In diesem Fall ist die Schmelze sogar selbst mit einer Unterkühlung von bis zu 78 °C nicht zum Erstarren zu bewegen. Dieser Zustand wird auch als unterkühlte Schmelze bzw. unterkühlte Flüssigkeit bezeichnet.

Offensichtlich muss neben der Unterkühlung also noch eine weitere notwendige Voraussetzung erfüllt sein, damit eine Schmelze erstarrt. Diese weitere Bedingung zeigt sich ebenfalls sehr anschaulich anhand des Handwärmers. Wird nämlich ein darin befindliches Metallplättchen gedrückt, so beginnt der Erstarrungsprozess plötzlich einzusetzen.

Der Grund für das Auslösen der Erstarrung sind winzige ungeschmolzene Reste des Natriumacetat-Trihydrats, welche sich in den feinen Rillen des Metallplättchens festgesetzt haben. Erst durch das Drücken des Plättchens kommt die Schmelze in Kontakt mit den ungeschmolzenen Resten. Diese wirken als sogenannte Keime, an denen die Erstarrung beginnen kann.

Anmerkung: Bis heute ist nicht genau geklärt, ob exakt dieses Prinzip tatsächlich bei einem Handwärmer die Erstarrung auslöst. Fest steht jedoch, dass eine Erstarrung zwingend Keime erforderlich macht, um daran einen Kristallisationsprozess auszulösen.

Das Vorhandensein von Keimen ist somit eine weitere zu erfüllende Bedingung, wenn es um die Auslösung eines Erstarrungsvorganges geht.

Es müssen Keime in der Schmelze vorhanden sein, um ein Kristallisationsvorgang auszulösen!

Animation: Kristallisation (Polykristall)

Die Bildung eines Korns kann mit dem bereits beschrieben Handwärmer anschaulich nachvollzogen werden. Ausgehend des Keims lagern sich immer mehr Teilchen aus der Schmelze um diesen Keim an und die Kristallisation schreitet allmählich fort. Ist die Schmelze aufgezehrt stößt der Kristallit an die umgebende Hülle, so wie das Korn in einem Metall nach der Erstarrung an seine benachbarten Körner stößt.

Erstarrungstemperatur

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass selbst bei Vorhandensein von Keimen es nicht zu einer Erstarrung kommt, solange keine Unterkühlung vorliegt (das Metallplättchen eines Handwärmers kann in diesem Zustand oberhalb der Schmelztemperatur noch so oft gedrückt werden – die Schmelze bleibt flüssig).

Umgekehrt wird der Erstarrungsprozess auch dann nicht ausgelöst, wenn trotz Unterkühlung keine Keime in der Schmelze vorhanden sind (der Handwärmer bleibt dabei trotz starker Unterkühlung flüssig, solange kein Keim in der Schmelze vorhanden ist).

Die ausgewiesenen Erstarrungstemperaturen sind letztlich theoretische Werte, oberhalb dessen sich eventuell gebildete Keime sofort wieder auflösen. Der Erstarrungsvorgang wird deshalb in solchen Fällen nicht ausgelöst.

Nur unterhalb der Erstarrungstemperatur ist ein Keim wachstumsfähig und die Kristallisation kann einsetzen!

Übertragen auf die Gefügebildung von Metallen sind also Unterkühlung und Keime stets Voraussetzung für das Erstarren. Bei Keimen muss es sich jedoch nicht immer um ungeschmolzene Reste der Flüssigkeit handeln wie im Falle des Handwärmers. Vor allem in Metallschmelzen entstehen Keime in der Regel auf andere Weise. In einem separaten Abschnitt wird hierauf näher eingegangen.

Exkurs: Blitzeis

Im Übrigen kann auch Wasser in einen unterkühlten Zustand von deutlich unter -10 °C versetzt werden und dabei noch flüssig sein! Dies erfordert allerdings hochreines Wasser ohne jegliche Verunreinigungen, die als Erstarrungskeime dienen könnten. Natürlich muss dabei auch das Gefäß innerhalb dessen sich das Wasser befindet frei von Verunreinigungen sein.

Sobald das Wasser allerdings in Kontakt mit anderen Teilchen kommt – zum Beispiel beim Ausgießen auf einen Tisch – wird daran die Keimbildung ausgelöst und das Wasser beginnt sofort zu erstarren. Auch bereits kleinste Erschütterungen können den Erstarrungsprozess auslösen.

In der Natur spielt unterkühltes Wasser zum Beispiel bei sogenanntem Blitzeis eine Rolle. Dabei handelt es sich um unterkühlte Regentropfen. Diese regnen zunächst in flüssiger Form auf den Boden. Beim Aufprall dienen die dortigen Verschmutzungen jedoch als Kristallisationskeime. Der Regentropfen beginnt sofort zu kristallisieren (zu erstarren) und wird folglich zu Eis! Dieses „blitzschnelle“ Entstehen des Eises beim Aufprall des Regentropfens auf den Boden wird deshalb als Blitzeis bezeichnet.