Je nach Kohlenstoffgehalt finden im Stahl weitere Phasenumwandlungen im erstarrten Zustand statt. Das abgekühlte Gefüge besteht aus Perlit und Ferrit.

Einleitung

Wie im Artikel Gefügeentstehung von Stählen während der Erstarrung erläutert, nimmt der Kohlenstoff Einfluss auf die Temperatur der γ-α-mwandlung. Mit steigender Kohlenstoffkonzentration sinkt der Umwandlungsbeginn ausgehend von 911 °C bei Reineisen hin zu immer niedrigeren Temperaturen und verharrt ab einer Kohlenstoffkonzentration von 0,8 % schließlich konstant auf einem Wert von 723 °C.

Umwandlungslinien im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (Stahlecke)
Abbildung: Umwandlungslinien im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (Stahlecke)

Dementsprechend können drei unterschiedliche Stahlarten unterschieden werden, die jeweils typische Gefügeänderungen während der Abkühlung durchlaufen:

  • eutektoide Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt von exakt 0,8 %!
  • übereutektoide Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt größer 0,8 %!
  • untereutektoide Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt kleiner 0,8 %!

Auf die unterschiedlichen Phasenumwandlungen während der Abkühlung aus dem austenitischen Zustand wird in den folgenden Abschnitten näher eingegangen.

Eutektoide Phasenumwandlung

Die Vorgänge im Gefüge während der γ-α-Umwandlung werden im Folgenden anhand eines sogenannten eutektoiden Stahles C80 mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,8 % näher erläutert.

Phasenumwandlung eines eutektoiden Stahls
Abbildung: Phasenumwandlung eines eutektoiden Stahls

Nachdem der Stahl in einem Temperaturbereich erstarrt ist und sich somit das Mischkristallgefüge Austenit gebildet hat, unterliegt der Stahl bei einer Temperatur von 723 °C schließlich der γ-α-Umwandlung. Nun beginnt sich die kubisch-flächenzentrierte Gitterstruktur des Austenits bei konstanter Temperatur (Haltepunkt) in die kubisch-raumzentrierte Ferritstruktur umzuwandeln.

Da im Ferritgitter die Würfelmitte bereits durch ein Eisenatom besetzt ist, kann der Kohlenstoff darin nicht mehr gelöst werden. Der Kohlenstoff wird bei dieser Gitterumwandlung in der metastabilen Form des Eisencarbid Fe3C (Zementit) ausgeschieden. Aufgrund der relativ niedrigen Temperatur von 723 °C sind die ausgeschiedenen Atome träge und können keine großen Wege zurücklegen. Sie scheiden sich deshalb direkt aus dem Gitter aus und lagern sich in einer lamellenförmigen Struktur aneinander.

Hat sich schließlich das Austenitgitter vollständig in das Ferritgitter umgewandelt, so ist der Kohlenstoff (fast) vollständig aus dem Eisengitter ausgeschieden. Aus den ehemaligen Austenitkörnern sind nun Ferritkörner mit eingelagerten Zementitlamellen geworden. Dieses lamellenförmige Phasengemisch aus Ferrit und Zementit wird aufgrund seines perlmuttartigen Glanzes unter dem Mikroskop auch als Perlit bezeichnet.

Als Perlit bezeichnet man das sich bei 723 °C bildende eutektoide Phasengemisch, bestehend aus Ferrit und eingelagerten Zementitlamellen!

Animation: Phasenumwandlung eines eutektoiden Stahls

Beachte, dass sich während der γ-α-Umwandlung in der Regel auch die äußere Form der Körner ändert! Während Austenit eher polyedrisch und damit eine eckige Kornstruktur aufweist, sind die Perlitkörner eher rundlich. Ursache für die polyedrische Form des Austenits ist die verstärkte Bildung von sogenannten Zwillingskorngrenzen. Die Wandlung der Kornform während der γ-α-Umwandlung wird bspw. beim sogenannten Normalglühen gezielt genutzt, um ungleichmäßig große Körner in einem Gefüge zu beseitigen und so eine homogene Kornfeinung zu erzielen.

Das vorliegende Perlitgefüge ähnelt aufgrund seiner lamellenförmigen Struktur sehr dem eutektischen Gefüge einer Kristallgemischlegierung. Der Unterschied zum Eutektikum besteht lediglich darin, dass sich ein Eutektikum aus dem flüssigen Zustand bildet während sich das Perlitgefüge aus dem bereits erstarrten Zustand formt. In Abgrenzung hierzu wird dieses Phasengemisch deshalb nicht als Eutektikum sondern als Eutektoid bezeichnet.

Im vorliegenden Fall weist der Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,8 % somit ein rein eutektoides Gefüge auf. Ein solcher Stahl wird deshalb auch als eutektoider Stahl bzw. perlitischer Stahl bezeichnet wird.

Eutektoide Stähle weisen mit 0,8 % Kohlenstoff bei Raumtemperatur ein rein perlitisches Gefüge auf (Ferritkörner mit eingelagerten Zementitlamellen)!

Das unten abgebildete Gefügebild zeigt einen perlitischen Stahl mit 0,8 % Kohlenstoff. Zu sehen sind die streifenförmig eingebetteten Zementitlamellen (dunkle Streifen) in den Ferritkörnern (helle Bereiche dazwischen).

Gefügebild von eutektoidem Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,8 % (C80)
Abbildung: Gefügebild von eutektoidem Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,8 % (C80)

Ein rein eutektoides Perlitgefüge liegt allerdings nur dann vor, wenn der Stahl einen Kohlenstoffgehalt von exakt 0,8 % aufweist. Welche Auswirkung eine höhere Kohlenstoffkonzentration auf den Gefügeaufbau des Stahls hat, wird im folgenden Abschnitt näher betrachtet.

Übereutektoide Phasenumwandlung

Begrenzte Löslichkeit des Kohlenstoffs im Austenit

Auch bei sogenannten übereutektoiden Stählen mit einem Kohlenstoffgehalt größer 0,8 % liegt das Gefüge unmittelbar nach der Erstarrung zunächst als reines Mischkristallgefüge vor (Austenit).

Der Kohlenstoff ist in diesem Austenitgefüge zwar relativ gut aber grundsätzlich nicht unbegrenzt löslich. Die Kohlenstoffatome sind im Vergleich zu den freien Oktaederlücken in den Würfelmitten der kubisch-flächenzentrierten Elementarzellen nämlich relativ groß. Werden die Eisenatome als sich berührende Kugeln angenommen, so ergibt sich in der Würfelmitte eine Lücke in die rechnerisch eine Kugel mit maximal dem 0,4-fachen Durchmesser der Eisenatome passt. Die Kohlenstoffatome weisen allerdings in etwa den 0,6-fachen Durchmesser auf.

Somit sind die Kohlenstoffatome eigentlich zu groß, um ohne Weiteres in die freien Oktaederlücken zu passen. Dies hat zur Folge, dass es im Umfeld der eingelagerten Kohlenstoffatome zu Gitterverzerrungen kommt. Innerhalb des verzerrten Gitterbereichs kann schließlich kein weiteres Kohlenstoffatom eingelagert werden, da die Gitterverzerrungen zu stark sind. Erst in gewissen Abständen können wieder weitere Kohlenstoffatome eingelagert werden. Die Löslichkeit der Kolhlenstoffatome im γ-Eisen ist also begrenzt.

Wie viel Kohlenstoffatome im Austenitgitter maximal gelöst werden können, hängt in entscheidendem Maße von der Temperatur ab. Schließlich bedeutet eine geringere Temperatur auch eine verminderte Gitterschwingung. Somit wird der Platz innerhalb der Elementarzellen mit abnehmender Temperatur ebenfalls geringer. Dies hat zur Folge, dass weniger Kohlenstoffatome im Austenitgitter eingelagert werden können. Folglich sinkt die Löslichkeit der Kohlenstoffatome mit abnehmender Temperatur! Umgekehrt bedeutet eine höhere Temperatur folglich eine größere Löslichkeit.

Die Löslichkeit des Kohlenstoffs im Austenit nimmt mit sinkender Temperatur ab!

Schematisch dargestellte Abnahme der Löslichkeit mit sinkender Temperatur
Abbildung: Schematisch dargestellte Abnahme der Löslichkeit mit sinkender Temperatur

Die maximal mögliche Löslichkeit des Kohlenstoffs im Austenit zeigt sich bei einer Temperatur von 1147 °C mit 2,06 %. Dabei ist jede 2. bis 3. Elementarzelle mit einem Kohlenstoffatom besetzt. Mit abnehmender Temperatur sinkt die Löslichkeit stetig und beträgt unmittelbar beim Zerfall des Austenits in die kubisch-raumzentrierte Struktur bei 723 °C nur noch maximal 0,8 %. Dabei finden die Kohlenstoffatome nur noch in jeder 6. bis 7. Elementarzelle einen Platz.

Anhand der eingezeichneten Löslichkeitsgrenze im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm kann schließlich für jede andere Temperatur im Austenitgebiet der entsprechend maximal zu lösende Kohlenstoffgehalt ermittelt werden (siehe schwarze Linie). So ergibt sich bspw. bei einer Temperatur von 1000 °C eine maximale Löslichkeit des Kohlenstoffs von rund 1,6 %, während die Löslichkeit bei 940 °C nur noch etwa 1,4 % beträgt und bei 800 °C sogar auf ca. 1,0 % gefallen ist.

Löslichkeitsgrenze von Kohlenstoff im Austenit
Abbildung: Löslichkeitsgrenze von Kohlenstoff im Austenit

Gefügeänderung eines übereutektoiden Stahls

Aufgrund der begrenzen Löslichkeit ergeben sich beim Abkühlvorgang von übereutektoiden Stählen Gefügeänderungen sobald die Löslichkeitsgrenze überschritten wird, da der Stahl dann offensichtlich mehr Kohlenstoff enthält als das Gitter eigentlich lösen kann. Am Beispiel eines Stahls mit 1,4 % Kohlenstoff (C140) wird im Folgenden auf die dabei stattfindenden Gefügeänderungen näher eingegangen.

Zunächst erstarrt der übereutektoide Stahl wie andere Stähle auch als Mischkristalllegierung in einem Erstarrungsbereich. Aufgrund der hohen Temperaturen unmittelbar nach der Erstarrung ist der gesamte Kohlenstoff zunächst vollständig im Austenitgitter löslich.

Phasenumwandlung eines übereutektoiden Stahls
Abbildung: Phasenumwandlung eines übereutektoiden Stahls

Schließlich beginnt die Löslichkeit ab einer Temperatur von 1147 °C gemäß der eingezeichneten Löslichkeitsgrenze stetig zu sinken. Bei 1000 °C beträgt die maximale Löslichkeit nur noch rund 1,6 %. Da der betrachtete Stahl jedoch einen geringen Kohlenstoffgehalt von 1,4 % aufweist, ist zunächst immer noch der gesamte Kohlenstoff im Austenitgitter löslich. Da der Stahl in diesem Zustand theoretisch sogar noch mehr Kohlenstoff lösen könnte, bezeichnet man diesen als sogenannten untersättigten Zustand.

Schließlich nimmt die maximale Löslichkeit mit abnehmender Temperatur weiter ab und ist bei 940 °C auf 1,4 % gesunken. Der Zustandspunkt befindet sich dabei genau auf der Löslichkeitsgrenze. Bei dieser Temperatur kann also gerade noch der gesamte im Stahl enthaltene Kohlenstoff vollständig im Austenitgitter gelöst werden. Da das Austenitgitter in diesem Zustand vollständig mit Kohlenstoff gesättigt ist, spricht man auch von einem sogenannten gesättigten Zustand.

Wird nun weiter abgekühlt, so liegt der Kohlenstoffgehalt des Stahls über der maximalen Löslichkeit. Dies wird bspw. bei Betrachtung der Temperatur von 800 °C deutlich. Gemäß der Löslichkeitsgrenze kann bei dieser Temperatur nur ca. 1,0 % Kohlenstoff im Austenitgitter gelöst werden; der Stahl besitzt allerdings einen Kohlenstoffgehalt von 1,4 %. Das Gefüge muss sich offensichtlich bei Überschreiten der Löslichkeitsgrenze in irgendeiner Weise ändern (Phasenumwandlung), denn sonst befände sich im Austenitgitter mehr Kohlenstoff als eigentlich darin gelöst werden könnte.

Befindet sich der Stahl kurz nach Überschreiten der Löslichkeitsgrenze im sogenannten übersättigten Zustand (es ist also kurzfristig mehr Kohlenstoff im Gitter gelöst als dieses eigentlich aufnehmen kann), so wird das „Zuviel“ an Kohlenstoff aus dem Austenitgitter ausgeschieden. Im metastabilen System vollzieht sich diese Segregation des Kohlenstoffs dabei in Form von Zementit (Fe3C).

Die Zementitausscheidung findet bevorzugt an energetisch günstigen Stellen wie Korngrenzen statt, weshalb das ausgeschiedene Zementit auch als Korngrenzenzementit bezeichnet wird. Häufig ist auch die Bezeichnung Sekundärzementit zu lesen.

Beachte, dass der Zementit nicht wie bei der Perlitbildung in Mitten der Gitterstruktur in lamellenform ausgeschieden wird. Denn Ursache der Zementitausscheidung während der Perlitbildung ist die Umwandlung der Gitterstruktur. Bei Überschreiten der Löslichkeitsgrenze hingegen bleibt die Austenitgitterstruktur erhalten, d.h. es findet keine Gitterumwandlung statt. Die Mechanismen der Zementitausscheidung bei der Perlitbildung und bei Überschreiten der Löslichkeitsgrenze sind deshalb grundverschieden!

Bei übereutektoiden Stählen scheidet sich bei Abkühlung der nicht mehr lösbare Kohlenstoff im Austenitgitter in Form von Zementit an den Korngrenzen aus (Korngrenzenzementit)!

Animation: Phasenumwandlung eines übereutektoiden Stahls

Die Zementitausscheidung an den Korngrenzen geht letztlich mit einem geänderten energetischen Zustand einher. Es wird Energie im Gitter frei, die der äußeren Abkühlung entgegenwirkt. Deshalb tritt auch bei Überschreiten der Löslichkeitsgrenze eine Verlangsamung der Abkühlgeschwindigkeit ein. In der entsprechenden Abkühlkurve macht sich diesem in einem Knickpunkt bemerkbar.

Bei Überschreiten der Löslichkeitsgrenze kann mit weiterer Abkühlung immer weniger Kohlenstoff im Austenit gelöst werden. Somit scheidet sich im weiteren Abkühlverlauf immer mehr Zementit an den Korngrenzen aus. Auf diese Weise wird erreicht, dass der Austenit gemäß seiner Löslichkeit immer gerade mit Kohlenstoff gesättigt ist. Deshalb entspricht bei Überschreiten der Löslichkeitsgrenze die Kohlenstoffkonzentration im Austenit stets der maximal möglichen Löslichkeit. Dies setzt natürlich voraus, dass hinreichend langsam abgekühlt wird, sodass dem Kohlenstoff auch Zeit gewährt wird sich auszuscheiden. Nur so kann sich stets ein thermodynamischer Gleichgewichtszustand einstellen.

Wird der Stahl nun weiter abgekühlt so sinkt die maximale Löslichkeit und damit der Kohlenstoffgehalt im Austenit immer mehr, bis dieser bei 723 °C schließlich die eutektoide Zusammensetzung von 0,8 % Kohlenstoff erreicht hat. Der Austenit verhält sich dann im Prinzip wie ein eutektoider Stahl, der ja gerade 0,8 % Kohlenstoff enthält.

Bei konstanter Temperatur von 723 °C beginnt der Austenit nun in Perlit zu zerfallen, indem sich das kubisch-flächenzentrierte Austenitgitter in die für den Kohlenstoff gänzlich unlösliche kubisch-raumzentrierte Struktur des Ferrits umwandelt. Dabei wird der Kohlenstoff in Form von Zementitlamellen direkt aus dem Gitter ausgeschieden.

Durch die Ausscheidung des Zementits aus dem Austenit verarmt dieser an Kohlenstoff, bis bei 723 °C die eutektoide Zusammensetzung erreicht ist und sich der Restaustenit zu Perlit wandelt.

Nach dieser letzten Gefügeumwandlung ist der Abkühlprozess schließlich abgeschlossen und das Gefüge des übereutektoiden Stahls besteht aus Perlitkörnern (Ferritkörner mit eingelagerten Zementitlamellen) und dem zuvor an den Korngrenzen ausgeschiedenen Korngrenzenzementit.

Übereutektoide Stähle weisen bei Raumtemperatur ein perlitisches Grundgefüge (Ferritkörner mit eingelagerten Zementitlamellen) mit zusätzlich ausgeschiedenem Zementit an den Korngrenzen auf!

Das abgebildete Gefügebild zeigt einen übereutektoiden Stahl mit 1,0 % Kohlenstoff (unlegierter Stahl C100). Zu sehen sind die Perlitkörner (dunkel) und der an den Korngrenzen ausgeschiedene Zementit (weiß). Die feinen Zementitlamellen im Perlit sind lichtmikroskopisch schwer auflösbar und erscheinen deshalb oft einfarbig.

Gefügebild von übereutektoidem Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 1,0 % (C100)
Abbildung: Gefügebild von übereutektoidem Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 1,0 % (C100)

Neben übereutektoiden Stählen mit einer Kohlenstoffkonzentration von über 0,8 % gibt es auch Stähle mit einem Kohlenstoff unterhalb 0,8 %. Man spricht dann von untereutektoiden Stählen. Bei solchen Stählen finden während der Abkühlung nochmals andere Gefügeumwandlungen statt. Auf diese wird im folgenden Abschnitt näher eingegangen.

Untereutektoide Phasenumwandlung

Im Folgenden wird die Abkühlung eines untereutektoiden Stahls betrachtet werden. Ein Stahl wird dann als untereutektoid bezeichnet, wenn dieser einen Kohlenstoffgehalt von weniger als 0,8 % aufweist. Exemplarisch sollen die Gefügeumwandlungen an einem untereutektoiden Stahl mit 0,4 % Kohlenstoff näher erläutert werden.

Zunächst erstarrt auch der untereutektoide Stahl wieder wie jeder andere Stahl als reines Mischkristallgefüge. Der Kohlenstoff ist im Austenitgefüge zunächst vollständig löslich.

Grundsätzlich besitzt ein untereutektoider Stahl zu wenig Kohlenstoff, um die maximale Löslichkeitsgrenze des Kohlenstoffs im Austenitgitter zu überschreiten. Bei der geringstmöglichen Temperatur von 723 °C – oberhalb deren Austenit überhaupt erst existiert – beträgt die (Mindest)Löslichkeit für den Kohlenstoff im Austenit bereits 0,8 %. Die Kohlenstofflöslichkeit liegt somit stets höher als der Kohlenstoffgehalt von untereutektoiden Stählen.

Dies zeigt sich bereits beim Eintragen der Legierungslinie eines beliebigen untereutektoiden Stahls in das Phasendiagramm. Alle untereutektoiden Stähle werden im Prinzip nie an die Löslichkeitsgrenze stoßen oder diese gar überschreiten können. Der gesamte Kohlenstoff bleibt also bei untereutektoiden Stählen stets im Austenitgitter löslich. Das Austenitgefüge befindet sich im Allgemeinen permanent in einem untersättigen Zustand, da mehr Kohlenstoff darin gelöst werden könnte als überhaupt im Stahlgefüge enthalten ist!

Bei untereutektoide Stählen bleibt stets der gesamte Kohlenstoff im Austenitgitter löslich!

Die Gefügeumwandlung eines untereutektoiden Stahls wird also nicht durch die Löslichkeitsgrenze wie bei übereutektoiden Stählen bestimmt sondern vielmehr durch die einsetzende γ-α-Umwandlung. So bewirkt der Kohlenstoff im Eisen zwar eine Verschiebung der γ-α-Umwandlung hin zu niedrigeren Temperaturen im Vergleich zu reinem Eisen, aber dennoch wird sie ab einer bestimmten Temperatur einsetzen. Das Einsetzen der Gitterumwandlung kann an der roten Umwandlungslinie im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm abgelesen werden, an die letztlich jeder untereutektoide Stahl im Laufe seiner Abkühlung stößt.

Phasenumwandlung eines untereutektoiden Stahls
Abbildung: Phasenumwandlung eines untereutektoiden Stahls

Bei einem untereutektoiden Stahl von 0,4 % Kohlenstoff setzt die Gitterumwandlung vom kubisch-flächenzentrierten Austenitgitter in die kubisch-raumzentrierten Ferritstruktur bei rund 800 °C ein (statt wie bei Reineisen bei 911 °C). Dabei beginnt sich das kubisch-flächenzentrierte Gitter vorzugsweise an den energetisch günstigen Korngrenzen in die kubisch-raumzentrierte Struktur umzuwandeln. Diese Gitterumwandlung breitet sich bei weiterer Abkühlung auf die umliegende Austenitstruktur aus.

Dieser Gitterumwandlungsprozess vollzieht sich nicht mehr bei konstanter Temperatur wie im Falle des Reineisens sondern in einem Temperaturbereich. Diese Gitterumwandlung umfasst im Diagramm somit wieder ein Zweiphasengebiet, in dem das Gefüge zu Teilen aus dem bereits umgewandelten Ferrit und dem restlichen Austenit besteht.

Bei untereutektoiden Stählen wandeln sich bei Abkühlung zunächst Teile des Austenits in das für den Kohlenstoff unlösliche Ferrit um!

Da der Kohlenstoff im bereits umgewandelten α-Eisen nicht mehr gelöst werden kann, wird dieser aus der kubisch-raumzentrierten Ferritstruktur verdrängt. Die umliegende Austenitstruktur ist aufgrund des untersättigten Zustandes allerdings noch in der Lage diesen verdrängten Kohlenstoff aufzunehmen.

So kann der Austenit zu Beginn der Gitterumwandlung bei knapp 800 °C bis ca. 1,0 % Kohlenstoff aufnehmen; der betrachtete Stahl besitzt allerdings gerade einmal einen Kohlenstoffgehalt von 0,4 %. Im Austenit findet sich also noch genügend Raum, um die verdrängten Kohlenstoffatome aufnehmen zu können. Deshalb diffundiert der aus dem Ferritgitter ausgeschiedene Kohlenstoff in den angrenzenden Restaustenit.

Anders als bei bei übereutektoiden Stählen lagert sich der Kohlenstoff nicht in Form von Zementit an den Korngrenzen ab sondern wird vom umliegenden Austenit aufgenommen!

Animation: Phasenumwandlung eines untereutektoiden Stahls

Bei weiterer Abkühlung wachsen die Ferritkörner, sodass mehr und mehr Kohlenstoff in die umliegenden Austenitkörner eindiffundiert. Dies führt im Austenit zu einer entsprechenden Anreicherung des Kohlenstoffgehaltes. Die jeweiligen Konzentrationen können – wie in Zweiphasengebieten üblich – nach Anfahren der Phasengrenze und anschließendes Fällen des Lotes auf die Konzentrationsachse ermittelt werden. Bei 750 °C hat sich bspw. der Kohlenstoffgehalt im Austenit auf ca. 0,6 % angereichert, während die Kohlenstoffkonzentration im Ferrit aufgrund der vernachlässigten Löslichkeit natürlich 0 % beträgt.

Bei weiterer Abkühlung und somit voranschreitender Ferritbildung reichert sich der Kohlenstoffgehalt im Restaustenit immer mehr an. Bei 723 °C ist der Kohlenstoffgehalt schließlich auf 0,8 % gestiegen. Der Restaustenit hat nun die eutektoide Zusammensetzung erreicht und ist vollständig gesättigt, d.h. dieser kann keinen weiteren Kohlenstoff mehr aufnehmen. Der Restaustenit verhält sich nun wie ein eutektoider Stahl und beginnt sich schließlich bei konstanter Temperatur zum Eutektoid Perlit zu wandeln.

Durch die Ausscheidung des Ferrits aus dem Austenit reichert sich dieser mit Kohlenstoff an, bis bei 723 °C die eutektoide Zusammensetzung erreicht ist und sich der Restaustenit zu Perlit wandelt.

Somit vollzieht jetzt auch der restliche Austenit die Gitterumwandlung hin zur kohlenstoffunlöslichen kubisch-raumzentrierten Ferritstruktur. Der ehemals im Austenitgitter gelöste Kohlenstoff bildet dabei die Eisencarbidverbindung Zementit, welches sich bei der Gitterumwandlung lamellenförmig aus dem Restaustenit ausscheidet.

Untereutektoide Stähle weisen bei Raumtemperatur ein perlitisches Grundgefüge (Ferritkörner mit eingelagerten Zementitlamellen) mit den zuvor gebildeten Ferritkörnern auf!

Das unten abgebildete Gefügebild zeigt einen untereutektoiden Stahl mit 0,45 % Kohlenstoff (Vergütungsstahl C45). Zu sehen sind die Ferritkörner (weiß) und Perlitkörner (dunkel gestreift). Im Vergleich hierzu ist ein Gefügebild eines untereutektoiden Stahls mit einem höheren Kohlenstoffgehalt von 0,60 % (Vergütungsstahl C60) gezeigt. Der C60 weist aufgrund der höheren Kohlenstoffkonzentration auch einen deutlich höheren Perlitanteil im Gefüge auf.

Gefügebild von untereutektoidem Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,45 % (C45) und 0,6 % (C60)
Abbildung: Gefügebild von untereutektoidem Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,45 % (C45) und 0,6 % (C60)

Anmerkung

Beachte, dass die γ-α-Umwandlung unabhängig der tatsächlichen Kohlenstoffkonzentration des Stahls immer bei 723 °C abgeschlossen ist, da der Restaustenit bei dieser Temperatur stets die eutektoide Zusammensetzung von 0,8 % Kohlenstoff erreicht hat. Dies gilt letztlich nicht nur für untereutektoide Stähle sondern auch für übereutektoide Stähle!

Während sich für untereutektoide Stähle die Kohlenstoffkonzentration im Restaustenit durch die Ferritausscheidung bis auf 0,8% Kohlenstoff anreichert, so verringert sich für übereutektoide Stähle die Kohlenstoffkonzentration im Restaustenit durch die Zementitausscheidung an den Korngrenzen bis dort ebenfalls 0,8 % Kohlenstoff erreicht sind. In beiden Fällen ist diese eutektoide Zusammensetzung des Restaustenits bei einer Temperatur von 723 °C erreicht und der Restaustenit zerfällt im Folgenden bei dieser konstanten Temperatur immer zu Perlit.